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Lebensgefährlich: Schläfrig am Steuer

"Schläfrigkeit im Straßenverkehr ist eine gefährliche, aber vielfach unterschätzte Unfallursache", betont Dr. Hans-Günter Weeß, Leiter des Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster. Als Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) weist er auf eine Pressemitteilung hin, die die DGSM gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin im Dezember herausgegeben hat. Diese Informationen haben angesichts des starken Reiseverkehrs zu den Feiertagen am Jahresende eine besondere Brisanz. In der Mitteilung heißt es:
"Schläfrigkeit stellt eine der häufigsten Ursachen für tödliche Unfälle im Straßenverkehr dar und ist gleichzeitig am meisten unterschätzt. Nach einer Studie der AAA Foundation for Trafic Safety, 2011 ist jeder 6. Unfalltote auf Sekundenschlaf am Steuer zurückzuführen und nach Schätzungen des deutschen Verkehrssicherheitsrates sogar jeder 4. Unfalltote. Eine Studie des HUK Verbandes aus dem Jahr 1994 kommt zu dem Ergebnis, dass jeder 4. Unfalltote auf deutschen Autobahnen auf Einschlafen am Steuer zurückzuführen ist. Nach einer aktuellen Studie der European Sleep Research Society (ESRS), welche in 19 europäischen Ländern durchgeführt wurde, steht Deutschland im europäischen Vergleich im Mittelfeld der schläfrigkeitsbedingten Unfälle.
Basierend auf diesen wissenschaftlichen Daten dürften 2 bis 3 Mal so viele Unfalltote im Straßenverkehr auf Schläfrigkeit und Sekundenschlaf wie auf alkoholbedingte Einflüsse zurückzuführen sein. Demgegenüber steht in grober Diskrepanz der Aufwand, welchen unsere Gesellschaft unternimmt, um alkoholbedingte Unfälle im Vergleich zu schläfrigkeitsbedingten Unfällen zu verhindern.
Als Ursache für schläfrigkeitsbedingte Unfälle können in erster Linie zu lange Lenkzeiten bei Viel- oder Berufskraftfahrern, zu wenig und nicht ausreichender Nachtschlaf sowie Autofahrten zu chronobiologisch ungünstigen Zeiten in der Nacht und am frühen Morgen verantwortlich gemacht werden. So finden die meisten tödlichen Unfälle nicht dann statt, wenn die Verkehrsdichte am höchsten ist, sondern vielmehr dann, wenn aus chronobiologischer Sicht der Mensch einem Leistungstief unterliegt. Dies ist in den frühen Morgenstunden zwischen 4 und 7 Uhr und am frühen Nachmittag zwischen 13 und 16 Uhr der Fall. Zu diesem Zeitpunkt finden die meisten tödlichen Unfälle statt.
Bereits 17 Stunden Wachheit gehen mit einem Reaktionsvermögen von 0,5 Promille Blutalkoholspiegel und 22 Stunden Wachheit mit einem Reaktionsvermögen von 1,0 Promille Blutalkoholspiegel einher. Wer also morgens um 6 Uhr aufsteht und abends um 23 Uhr sich nochmals ans Steuer begibt, hat ein Reaktionsvermögen von 0,5 Promille Blutalkoholspiegel. Lokführer im Schichtdienst oder Piloten ebenso. Schichtarbeiter nach einer 12 Stunden Nachtschicht weisen am Morgen auf dem Weg nach Hause ein achtfach höheres Unfallrisiko auf.
Chronobiologische Veränderungen, wie sie sich nach der Zeitumstellung im Frühjahr ergeben, gehen ebenfalls am darauffolgenden Montag mit einer Steigerung der Unfallhäufigkeit einher. Schlafstörungen, wie die schlafbezogenen Atmungsstörungen, die Narkolepsie sowie Ein- und Durchschlafstörungen gehen mit einem deutlich erhöhten Unfallrisiko infolge Schläfrigkeit am Steuer einher. Darüber hinaus können zahlreiche Medikamente und körperliche Erkrankungen die Wachheit reduzieren und damit das Risiko für Sekundenschlaf am Steuer zusätzlich erhöhen.
Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat gemeinsam mit Experten der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin Beurteilungskriterien zur Kraftfahreignung bei erhöhter Tagesschläfrigkeit herausgegeben und trägt damit der hohen Zahl an Verkehrsunfällen infolge Schläfrigkeit am Steuer Rechnung. Die aufgeführten Risikofaktoren für Tagesschläfrigkeit führen aber nicht nur im Straßenverkehr zu einer erhöhten Verkehrsgefährdung sondern ebenso im Bahn- und Schienenverkehr wie auch in der Luftfahrt."
Kontakt für Rückfragen:
Dr. Hans-Günter Weeß
Leiter Schlafzentrum Pfalzklinikum
Tel. 06349 900-2182
hans-guenter.weesspfalzklinikum.de