Aktuelles

Inklusion in der Praxis

Rodalben

Behindertenbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz und des Bundes besuchen Teilhabezentrum des Pfalzklinikums

Matthias Rösch (links) und Jürgen Dusel (zweiter von rechts) im Gespräch mit einer Klientin
Der Landesbehindertenbeauftragte Matthias Rösch (links) und der Bundesbehindertenbeauftragte Jürgen Dusel (rechts) sprachen mit Klientinnen und Klienten über die Möglichkeiten und Hürden der Teilhabe.

Wo stehen wir auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft? Wie werden Barrierefreiheit und Teilhabe in der Praxis umgesetzt? Welche Fortschritte und Hürden gibt es bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes und der UN-Behindertenrechtskonvention? Darüber informierten sich Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen und Matthias Rösch, Landesbeauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderungen bei einem Besuch im Teilhabezentrum (THZ) des Pfalzklinikums in Rodalben.  

„Es ist eine große Aufgabe, das Bundesteilhabegesetz umzusetzen. Deshalb ist es wichtig, vor Ort mit Menschen mit Behinderungen ins Gespräch zu kommen, um zu erfahren, was gut läuft und wo die Schwierigkeiten liegen“, sagte Matthias Rösch, der zusammen mit Jürgen Dusel über zwei Tage inklusive Projekte und Einrichtungen in der Pfalz besuchte. „Uns ist besonders wichtig, die Anregungen von Ihnen als Einrichtung und als Klientinnen und Klienten mitzunehmen und in unsere Arbeit einfließen zu lassen“, ergänzte Jürgen Dusel. 

Die gemeindepsychiatrischen Einrichtung Betreuen-Fördern-Wohnen, zu der das THZ gehört, stellte das Modell 365° vor, welches die Beteiligung der Klient*innen in den Mittelpunkt stellt. Es basiert auf den Zielen des Bundesteilhabegesetzes, das 2018 mit dem Ziel in Kraft getreten ist, die Selbstbestimmung und die Rechte von Menschen mit Behinderung zu stärken. Das Modell 365° fördert dies, indem Klient*innen individuell ihren Alltag gestalten und selbst entscheiden können, wann und wie viel Assistenz sie brauchen und wünschen. „Die Lebenssituation, die Bedürfnisse und Ziele der Menschen stehen im Vordergrund. Dies bedeutet, dass wir manchmal intensiv begleiten oder uns fast ganz zurückziehen. Ganz einfach so, wie es an diesem Tag, in dieser Woche oder Monat passt und notwendig ist“, erläuterte Birgit Fuchs, Leiterin von Betreuen-Fördern-Wohnen. Möglich macht dies eine neue Finanzierungslogik, die die Grenzen zwischen ambulanten, teilstationären und stationären Angeboten auflöst und Übergänge erleichtert. 

„Jeder Mensch sollte sich in die Richtung entwickeln, in die er oder sie möchte“
Ein weiterer Schwerpunkt des Modells 365° ist, dass Klient*innen aktiv in Gestaltung von Bildungs-, Beratungs- und Freizeitangeboten einbezogen werden und diese mitorganisieren. Etwa gemeinsam Feste zu feiern, zu kochen oder Yogaabende zu veranstalten. Unterstützt werden sie dabei von ausgebildeten Genesungsbegleiter*innen, die selbst Erfahrung mit psychischen Erkrankungen gemacht haben und diese nutzen, um eine „Übersetzer“-Rolle zwischen Klient*innen und Assistenzpersonal einnehmen zu können. „Jeder Mensch sollte sich in die Richtung entwickeln, in die er oder sie möchte“, erläuterte die Gastgeberin vor Ort im Teilhabezentrum, Regionalleiterin Susanne Trapp. „Mit dem Modell lernen Klientinnen und Klienten wieder mehr darauf zu hören, was ihnen guttut. Es ist unsere Aufgabe mehr Möglichkeiten zu eröffnen, ‚alternative‘ Lebensentwürfe zuzulassen, Klient*innen auf ihrem Weg zu beraten, reflektieren und begleiten.“

Jürgen Dusel und Matthias Rösch erkundigten sich bei den Klientinnen und Klienten nach ihrer Tagesgestaltung, was ihnen am Modell 365° gefalle, und wo es Herausforderungen gebe. Während eine Klientin von ihrer Arbeit auf einem Biobauernhof erzählte, mit dem das THZ kooperiert, berichtete ein anderer Klient davon, dass er am liebsten etwas „Handfestes“ tut und jeden Tag für die Gruppe im Teilhabezentrum mitkocht. Ein Klient, der mit Freude Comics und Cartoons zeichnet, berichtete, dass es ihm guttue, seinen Alltag wieder mehr selbst organisieren zu müssen – zum Beispiel morgens den Bus zum THZ bekommen, Termine einhalten, seine Freizeit gestalten – auch wenn er anfangs skeptisch war. Einrichtung und Klient*innen wünschten sich einen besseren Nahverkehr vor Ort, damit die Klient*innen eigenständiger mobil sein können.

„In Rodalben wurden Möglichkeiten der Teilhabe geschaffen, so wie es das Bundesteilhabegesetz vorsieht. Ein weiterer wichtiger Schritt ist es, die Einbindung von Menschen mit Behinderungen in die Gemeinde, in die Nachbarschaft und in das Vereinsleben zu stärken“, sagte der Landesbehindertenbeauftragte Matthias Rösch. Jürgen Dusel ergänzte: „Das Teilhabezentrum fördert in vorbildlicher Weise die Selbstbestimmung der Klientinnen und Klienten. Seine Wünsche zu leben und seine Talente einzubringen ist zentral für ein glückliches und erfülltes Leben. Das gilt für alle Menschen, egal ob mit oder ohne Assistenzbedarf.“


Zum Hintergrund: Was ist ein Teilhabezentrum
Das Teilhabezentrum (THZ) ist ein inklusionsorientiertes Wohnangebot für Menschen mit psychischen Erkrankungen, zentrumsnah in Rodalben. Es gehört zu der gemeindepsychiatrischen Pfalzklinikum-Einrichtung Betreuen-Fördern-Wohnen, und ist eines von fünf Angeboten dieser Art an verschiedenen Standorten in der Pfalz. Anders als in anderen Wohnangeboten leben die Klient*innen nicht im Teilhabezentrum selbst, sondern in angemieteten Einzelappartements und Wohngemeinschaften in Rodalben. Das THZ dient als tägliche Anlaufstelle und sozialer Treffpunkt für die Klient*innen und als Basis für die auch aufsuchend tätigen Assistenzteams. Im THZ finden unter anderem Bildungs-, Beratungs- und Freizeitangebote statt.

Kontakt
Birgit Fuchs
Leiterin Betreuen-Fördern-Wohnen
Tel. 06349 900-4500
E-Mail: birgit.fuchspfalzklinikum.de