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Eine Bereicherung für Unternehmen: Menschen, die eine psychische Erkrankung bewältigt haben

Diese These zog sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung zum Thema "Lebensumfeld Arbeit - Exklusion verhindern" am 5. Dezember im Pfalzklinikum.
Noch immer werden Menschen, die eine psychische Erkrankung gut bewältigt haben, auf dem Arbeitsmarkt massiv behindert – davon zeugten zahlreiche Wortmeldungen von Betroffenen. Damit setzte sich auch Matthias Neeser als Projektleiter des Dachverbands Gemeindepsychiatrie e. V. auseinander, der die Veranstaltungsreihe bundesweit in vier Regionen organisiert, so auch in der Südpfalz. Er stellte eine Reihe von gesetzlichen Bestimmungen fest, die im direkten Widerspruch zur UN-Menschenrechts-Konvention stehen, und das, obwohl die Bundesrepublik Deutschland diese bereits im Jahr 2009 unterzeichnet hat. Für jedes neue nationale Gesetz habe die Konvention Leitliniencharakter. Als Ursache für Benachteiligung machte Neeser unter anderem Vorurteile aus, die sich in Kreisen von Unternehmern und Belegschaften zählebig halten. Da richten auch Studien, die das Gegenteil beweisen, wenig aus. So wird weithin immer noch angenommen, dass Menschen nach psychischen Erkrankungen häufig krank seien oder dass die Kollegen für diese „besonderen" Mitarbeiter mitschaffen müssten. Besonders seien sie schon, wenn sie sich intensiv mit den Umständen ihrer Erkrankung auseinander gesetzt haben, meinte Neeser. Sie brächten Sichtweisen ein, die Unternehmen bereichern und das Betriebsklima verbessern könnten. Wenn man ihnen nur eine Chance gäbe.
Wie es läuft, wenn sie eine Chance bekommen – davon berichteten fünf Rehabilitanden, die nach oftmals langer Odyssee Unterstützung im Pfalzklinikum fanden. Mehrere Monate lang nahmen sie an einem Training teil, konnten psychologische und sozialpädagogische Beratung nutzen und aus verschiedenen Angeboten auswählen. Ergebnis: Alle sind auf den „ersten" Arbeitsmarkt zurückgekehrt, manchmal nach jahrelanger Unterbrechung. Ein über 50-Jähriger arbeitet jetzt in Teilzeit an der Universität, ein Mittvierziger ist als Ingenieur in seinen alten Betrieb zurückgekehrt, eine junge Frau arbeitet Vollzeit in einer sozialen Einrichtung, zwei Frauen haben einen für sie passenden Arbeitsplatz im Pfalzklinikum gefunden, im Servicebereich. Mit Ängsten und Verunsicherung seien sie beim ersten Mal durch die Tür von Reha BIFID gegangen, mit Selbstvertrauen und Wertschätzung hätten sie die Einrichtung der „Ambulanten Rehabilitation und Beruflichen Integration, Training und Förderung im Dienstleistungsbereich" verlassen. Im öffentlichen Gespräch mit BIFID-Leiterin Michaela Steigelmann zeigten sich die Rehabilitanden stolz auf das Erreichte. Gestärkt seien sie auch deshalb, weil sie gelernt hätten, mit schweren Krisen umzugehen und zu wissen, wie man vorbeugen und Hilfe bekommen könne.
Finanziert werden die BIFID-Angebote von den Rentenversicherungsträgern, der Agentur für Arbeit, den ArGen (Arbeitsgemeinschaften) oder der Berufsgenossenschaft. Sehr gut entwickelt habe sich die Zusammenarbeit mit der Landauer Arbeitsagentur und dem Jobcenter, betonte Pfalzklinikum-Geschäftsführer Paul Bomke. Das zeige sich auch in der Kooperation zu dieser Veranstaltung. Christine Groß-Herick, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Landau, war mit einer Reihe von Mitarbeitern gekommen, die sich aktiv am Erfahrungsaustausch beteiligten. Sie nahmen sich einen ganzen Tag Zeit, um die Motivation und die Probleme der Betroffenen besser zu verstehen. „Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels dürfen wir dieses Potential nicht ungenutzt lassen", so die Chefin der Arbeitsagentur in ihrem Vortrag.
Gespannt verfolgten die Veranstaltungsteilnehmer den Diskussionsbeitrag von Sabine Dick, Vorstandsmitglied im Berliner Verein zum Schutz vor psychiatrischer Gewalt e. v., dem Träger des bundesweit ersten Weglaufhauses. Sie betonte die Notwendigkeit einer Betroffenenkontrolle in allen relevanten Gremien. Unterstützt wurde sie dabei von Franz-Josef Wagner, Vorsitzender des Landesverbandes der Psychiatrieerfahrenen Rheinland-Pfalz e. V., er sich sehr über einen Vorschlag von Michael Dopke freute. Der Geschäftsführer des Jobcenters Landau-Südliche Weinstraße wird prüfen, Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen in den örtlichen Beirat des Jobcenters aufzunehmen, um die Weiterentwicklung des gewachsenen Netzwerkes von Hilfen für diese Arbeitssuchenden nicht ohne ihre Beteiligung zu betreiben – ganz im Sinne der Forderung der Psychiatrieerfahrenen: „Nicht ohne uns über uns."
Mit einem Korb voller Äpfel im Arm verabschiedete sich Birgit Fuchs von jedem einzelnen Teilnehmer persönlich. Die Leiterin der Einrichtung Betreuen – Fördern – Wohnen im Pfalzklinikum hatte den Tag wunderbar einfühlsam moderiert und den Teilnehmern einen Wunsch mit auf den Weg gegeben: „Bleiben Sie achtsam mit sich."
Die Präsentationen von Matthias Neeser und Christine Groß-Herick sowie die Stellwände mit gemeinsam erarbeiteten Ergebnissen und Forderungen finden Sie hier.