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Künstlerisch-feinsinnige Annäherung an das Gedenken

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Pfalzklinikum erinnert an die Opfer des Nationalsozialismus

Auf dem Klinikfriedhof: externe Gäste, Mitarbeiter, Patienten, Klienten und Bewohner des Pfalzklinikums versammelten sich zahlreich.

Klingenmünster. Trotz eisigem Wind und Wetter versammelten sich am 27. Januar 2015 ab 14 Uhr viele externe Gäste sowie Mitarbeiter, Patienten, Klienten und Bewohner des Pfalzklinikums, um der Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft zu gedenken. Nach einer Eröffnung durch Gemeindereferentin Christiane Götz und Pfarrerin Sylvia Schönenberg stellte Bezirkstags- und Verwaltungsratsvorsitzender Theo Wieder die Tragweite der Veranstaltung dar: „Die Erinnerung an ein in der Geschichte beispielloses Menschheitsverbrechen am heutigen Tag ist weit mehr als die Beschäftigung mit einem historischen Ereignis. Erinnerung bedeutet die Pflicht, die politischen, ethischen und philosophischen Werte an junge Menschen weiterzugeben, auf deren Fundament allein Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, Rasse oder Religion in friedlicher Koexistenz zusammenleben können. Die Vergangenheit ist heute gegenwärtig und der Umgang mit ihr die entscheidende Frage, wie unsere Zukunft aussehen wird.“

Nach dem Gedenken auf dem Friedhof des Pfalzklinikums gingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einer gegenüber vom Alleehaus aufgebauten Installation. Auszubildende der Verwaltung des Pfalzklinikums hatten sich intensiv mit früheren Patientenakten aus der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt und ein Projekt zur Gedenkarbeit gestaltet. Ein aufgebauter Schreibtisch mit darauf liegenden Akten symbolisierte die Taten der Nationalsozialisten. Damals erstellte Listen führten zu Zwangssterilisation, Verfrachtung in Hungerstationen oder in Tötungsanstalten.

Die Auszubildenden der Verwaltung gestalteten zusammen mit den Verantwortlichen der Klinikseelsorge sowie der Pflegedirektorin Julitta Hinz den anschließenden ökumenischen Gottesdienst in der Klinikkirche. Hierzu gehörten auch Glaskerzenhalter für Teelichter, die mit dem Spruch „Im Gedenken an die vielen Opfer in der Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster in der Zeit von 1941-1949“ versehen waren.
Bezirkskantor Maurice Croissant führte im Gottesdienst eine Orgelsymphonie auf  die in engem Bezug zum Anlass dieses Tages stand. Die Symphonie wurde komponiert von dem Hamburger Kirchenmusiker und Komponisten Andreas Willscher und trägt den Titel: Grabsteine. Willscher widmet seine musikalischen Grabsteine vier Komponisten, die ebenfalls Opfer der NS-Zeit wurden: Viktor Ullmann, Hans Kràsa, Theodor Veidl sowie Erwin Schulhoff. Alle vier starben nach ihrer Deportation in unterschiedliche Konzentrationslager  entweder durch Krankheit und Unterernährung oder in der Gaskammer in Auschwitz.

Im Fokus des Gottesdienstes standen die Schicksale zweier Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster: Barbara H. und Johann S. Die Verbrechen der NS-Zeit im Pfalzklinikum Klingenmünster erhielten hierdurch ein Gesicht.
Barbara H. galt bedingt durch ihren Vater, einem starken Alkoholiker, als psychisch belastet. Es ist unklar, wann sie in die Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster kam. Sie starb hier mit erst 30 Jahren wahrscheinlich an Folgen einer Mangelernährung und einer damit verbundenen Erkrankung.
Johann S. war nach einem Gefängnisaufenthalt nach Frankreich geflohen und wurde dort von der Geheimpolizei gefasst. Er kam ebenfalls in die Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster aufgrund von „fehlendem Allgemeinwissen und hochgradigem Schwachsinn“, er wurde zwangssterilisiert. Nach seiner Entlassung wurde er wegen Beamtenbeleidigung erneut inhaftiert und in ein KZ deportiert, von da an ist sein Schicksal nicht bekannt.

Pfarrerin Sylvia Schönenberg erläuterte: „Ein zweites Charakteristikum dieses Gedenktages ist die Art und Weise der Annäherung, die wir in diesem Jahr gewählt haben. Nicht so sehr die kognitive, also verstandesmäßige Seite des Gedenkens bestimmt unseren heutigen Gottesdienst, sondern eine eher künstlerisch-feinsinnige (ästhetische) Zugangsweise, die – ebenso wie auch die Biographien – geeignet ist, uns auch emotional anzusprechen. Wie unsere heutige Gestaltung des Gedenkens verstanden werden kann, wird treffend ausgedrückt in einem Wort des berühmten britischen Dirigenten Simon Rattle: „Die Musik bedeutet Erinnerung, Reue und Respekt. Musik ist da, um zu heilen".

Nach dem Gottesdienst bestand die Möglichkeit, sich bei heißen Getränken zu dem Erlebten auszutauschen.