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„Auf psychiatrisches Handwerk vertrauen“

Klingenmünster

Symposium zu „Maßregelvollzug und Zivilgesellschaft“ am 23. März im Pfalzklinikum Klingenmünster

Offen für Fragen: Dr. Michael Konrad, Referent des Symposiums Maßregelvollzug und Dr. Frank Claus, Moderator der Veranstaltung im Pfalzklinikum (v.l.).

Rund 200 Besucher aus Justiz, Polizei, Politik, Psychiatrie, Gemeindepsychiatrie und Zivilgesellschaft hatten sich am 23. März in der Mehrzweckhalle des BKV-Zentrums in Klingenmünster eingefunden. Hier fand ein Symposium zum Thema „Maßregelvollzug und Zivilgesellschaft“ statt. Mit einem ausdifferenzierten und  vielfältigen Programm ging es um mögliche Entwicklungen im Maßregelvollzug bis 2020. Unterschiedliche Vorträge sowie Workshops, mit internationaler Besetzung, ermöglichten den Besuchern, die neuen gesetzlichen und auch gesellschaftlich veränderten Rahmenbedingungen zu diskutieren und zu bewerten.

Gesundheitsstaatssekretär David Langner stellte in seinem Grußwort dar, vor welchen Herausforderungen die forensische Psychiatrie derzeit steht. „Ein sicherer und qualitativ gut aufgestellter Maßregelvollzug leistet der Zivilgesellschaft einen großen Dienst. Der Maßregelvollzug braucht aber auch umgekehrt den Rückhalt der Zivilgesellschaft, um seine anspruchsvolle Aufgabe gut zu meistern. In Folge der Reform des Unterbringungsrechts ist es erforderlich, den Maßregelvollzug noch stärker als bisher als ‚Transit‘ zu begreifen. Die Kliniken, die Politik, die Gemeindepsychiatrie und die ganze Gesellschaft stehen hier vor neuen Herausforderungen. Aber auch der eigene Anspruch der Kliniken und des Landes an die inhaltlich-fachliche Weiterentwicklung des Maßregelvollzugs ist eine große Aufgabe, die nur gemeinsam zu stemmen ist.“ Staatssekretär Langner nutzte zugleich die Gelegenheit, sich sowohl bei der Leitung der Forensik, der Geschäftsführung des Pfalzklinikums, bei den Mitarbeitern im Maßregelvollzug und der Einrichtungen des Pfalzklinikums, die mit diesen kooperieren, für ihre gesellschaftlich überaus wichtige und anspruchsvolle Arbeit zu bedanken.

Dr. Eva Biebinger, seit Sommer 2015 Chefärztin der Klinik für Forensische Psychiatrie und Unterbringungsleiterin im Pfalzklinikum, skizzierte in ihrem Beitrag die Entwicklungen von 1970 bis hin zur Gesetzesänderung (Überarbeitung des Paragraphen 63 des Strafgesetzbuches) in 2016. „Bis 2012 gab es einen beständigen Anstieg der Zahlen im Maßregelvollzug, speziell der nach § 63 Untergebrachten. Dann kam der Fall Mollath und zeigte auch den Einfluss der (Zivil-)Gesellschaft auf den Maßregelvollzug. Ich begrüße die seither umgesetzten Änderungen, dennoch werden wir in unserem beruflichen Alltag durch diese herausgefordert. Die Verantwortung der Gemeindepsychiatrie und der ambulanten forensischen Psychiatrie steigt. Es wird zunehmend wichtiger Patienten nach einem klinischen Aufenthalt zu betreuen und versorgen. Hierbei ist eine enge Kooperation unterschiedlicher Bereiche eine Chance, um Patienten zu resozialisieren. Wir sollten auch in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels unserem psychiatrischen Handwerk vertrauen und diesem optimistisch nachgehen,“ erklärte Dr. Biebinger.


Nach einer intensiven Arbeitsphase versammelten sich alle Gäste zur Besprechung von acht Thesen, die in Workshops entwickelt wurden. Im Plenum wurde über diese per eVoting abgestimmt. Die Bewertung war eindeutig: Bei allen acht Sätzen gab es eine eindeutige Mehrheit an Besuchern, die diesen zustimmte. Dr. Eva Biebinger, Dr. Michael Konrad vom Dachverband Gemeindepsychiatrie und Dr. Julia Schwaben vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie schätzten die Workshop-Ergebnisse aus ihrer Sicht ein und diskutierten mit dem Publikum. Die zweite ausgearbeitete These bezog sich auf eine notwendige Schnittstelle zwischen Gemeindepsychiatrie und Maßregelvollzug und forderte zur frühzeitigen Kommunikation und Teilhabeplanung für mehr Transparenz und Sicherheit. Zu dieser äußerte Dr. Julia Schwaben: „Das ist für mich der wichtigste Leitsatz heute. Es handelt sich hierbei um eine Daueraufgabe, die nicht erst mit der Reform des §63 begonnen hat. Durch diese sind die Kliniken und die Gemeindepsychiatrie in Bewegung gekommen und wir entwickeln gemeinsam am runden Tisch Übergangskonzepte genau für diese Schnittstelle“, so Schwaben. Dr. Eva Biebinger führte an: „ Ich bin für eine frühzeitigere, offenere und intensivere Kommunikation. Ein solches Vorgehen schafft Sicherheit in allen Bereichen. Die Verantwortung für den ersten Schritt in diesem Feld sehe ich ganz eindeutig bei unserer Klinik für Forensische Psychiatrie, diese könnte als Vorreiter im Schnittstellenprozess agieren.“

Ein runder Tisch mit unterschiedlichen Einrichtungen der forensischen Psychiatrie und dem Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie  in Rheinland-Pfalz wurde bereits eingerichtet. Hier werden Übergangskonzepte für die neue gesetzliche Regelung geschaffen. Im Pfalzklinikum besteht bereits seit 2001 ein offener Dialog mit Bürgern und Verantwortlichen aus Politik, Polizei, Justiz und Kindergärten sowie Schulen, unter anderem durch regelmäßige Treffen der Projektgruppe Dialog und Sicherheit. Seit 2016 gibt es einen Beitrat mit Bürgern und politischen Vertretern der umliegenden Gemeinden.

Kontakt
Dr. Eva Biebinger
Chefärztin Klinik für Forensische Psychiatrie und Unterbringungsleiterin
Pfalzklinikum
Tel. 06349 900-4000